Was haben die Frauen 2020 in Deutschland erlebt?

Aus Sicht der Frauen haben Sanktionen im Zusammenhang mit dem Coronavirus und der Pandemie das Jahr 2020 bestimmt. Allerdings waren die Bedingungen vor der Pandemie auch nicht sehr glänzend.

Ende 2019 veröffentlichte das Weltwirtschaftsforum (WEF) seinen Global Gender Equalitiy Report. In diesem Bericht wurde festgestellt, dass es in Deutschland erhebliche Lücken in der Gleichstellung von Frauen und Männern gibt, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich. Das WEF erklärte, dass Deutschland im Bereich der Gleichstellung Fortschritte mache, jedoch die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen in kurzer Zeit angeglichen werden müssten.

Laut dem Bericht hat sich die Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland, im Bereich einer stärkeren politischen Beteiligung von Frauen, leicht verbessert. 40 Prozent der Ministerposten in Bund und Ländern werden von Frauen besetzt, aber nur 30,9 Prozent der Parlamentarier sind Frauen. Die nachteilige Situation von Frauen im Arbeitsleben hielt ebenfalls an. Die Erwerbsquote von Frauen in Deutschland lag mit 55 Prozent deutlich unter der von Männern. (78 Prozent). So waren Frauen in technischen Berufen weniger tätig, in den sozialen Berufen allerdings im hohen Ausmaß angestellt. Nach offiziellen Angaben lag der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen bei 19 Prozent. Gewerkschaften und Frauenorganisationen sind der Meinung, dass diese Zahl bei 22 bis 23 Prozent liegt.

DAS VERSPRECHEN DER KINDERBETREUUNG WURDE NICHT EINGEHALTEN

Die Beschäftigungsquote von Müttern mit Kindern unter 18 Jahren liegt bei 62 Prozent, während die Quote von Vätern in derselben Situation 83 Prozent beträgt. Der Anteil berufstätiger Mütter nimmt mit zunehmendem Alter des jüngsten Kindes stetig zu. Die meisten Mütter kehren auf den Arbeitsmarkt zurück, wenn das jüngste Kind das Kindergartenalter erreicht hat. Der Gesamtanteil der Mütter, die mit dem Schuleintritt des jüngsten Kindes wieder die Arbeit aufnehmen, liegt bei 75 Prozent.

Der Unterscheid zwischen Müttern und Vätern besteht auch in der wöchentlichen Arbeitszeit. Während fast alle berufstätigen Väter Vollzeit arbeiten, sind mehr als zwei Drittel der Mütter in Teilzeit beschäftigt. Das Alter des jüngsten Kindes ist dabei nicht entscheidend. Einer der Gründe, warum Frauen sich für eine Teilzeitbeschäftigung entscheiden sind fehlende Kindergärten und Vollzeitschulen.

ALTERSARMUT TRIFFT VOR ALLEM FRAUEN

Es wurde erneut bestätigt, dass es einen großen Unterschied bei den Renten zwischen Männern und Frauen gibt. Der Grund dafür ist, dass Frauen im Niedriglohnsektor und in kurzfristigen Beschäftigungen arbeiten, aufgrund der Betreuung von Kindern, Ehepartnern und älteren Menschen eine Arbeitspause einlegen und die wöchentliche Arbeitszeit reduziert wird, wenn sie zurückkehren möchten. Das geänderte Rentengesetz kam den Frauen nicht zu Gute. Dass Frauen sich um Kinder und Haushalt kümmern und ihre Ehepartner darin unterstützen ihre Arbeitskraft zu reproduzieren, wurde weiterhin als unbezahlte Arbeit gesehen. Im Jahr 2020 waren Frauen weiterhin das Gesicht der Armut im Alter.

DIE EINSCHRÄNKUNGEN VON ABTREIBUNGEN WURDEN FORTGESETZT

In Deutschland blieben Hindernisse für Frauen bestehen, selbst darüber entscheiden zu können, ob sie Kinder haben wollen oder nicht. Nach dem Abtreibungsgesetz § 218 wurden die Beratungsverpflichtung und die Begrenzung der Abtreibungsdauer fortgesetzt. Diejenigen, die sich nicht daran hielten, konnten entweder keine Abtreibung vornehmen oder wurden strafrechtlich verfolgt. Der § 219a wurde, obwohl er flexibel gestaltet wurde, im Wesentlichen bewahrt. Das Informationsverbot, ob Ärzte und Gesundheitseinrichtungen, Abtreibungen durchführen und welche Methoden sie anwenden, hat sich nicht geändert. Es wurde nur vom Gesundheitsministerium eine Liste mit den Adressen von Einrichtungen und Ärzten, die Abtreibungen durchführen, veröffentlicht. Viele Ärzte lehnten die Veröffentlichung ihrer Namen ab oder gaben die Abtreibung auf, aus Angst, sie könnten angegriffen werden. Ärzte wurden wegen eines Verstoßes gegen den § 219a mit einer Geldstrafe belangt. Während konservative Gruppen Maßnahmen ergriffen, um die Abtreibung insgesamt zu verbieten, gingen verschiedene Frauenorganisationen unter dem Motto „Mein Körper ist meine Entscheidung!“ auf die Straße.

DIE UMSETZUNG DER ISTANBUL-KONVENTION IST AUCH IN DEUTSCHLAND PROBLEMATISCH

Deutschland akzeptiert das Übereinkommen weiterhin mit Vorbehalten. Diese Vorbehalte erschweren das Leben von Migrantinnen und geflüchteten Frauen. Frauen, die unabhängig von ihrem Ehemann keine eigene Aufenthaltserlaubnis besitzen, werden, außer in Ausnahmefällen abgeschoben. Ihre Situation wird nach dem Ausländergesetz geregelt, nicht nach den Gesetzen der Istanbul-Konvention. Geflüchtete Frauen werden ebenfalls abgelehnt, wenn der Grund ihres Asylantrages geschlechtsspezifisch ist. Aus der Angst vor Abschiebung waren Frauen gezwungen gewaltsame Ehen fortzuführen oder sich bereit zu erklären, einen Mann zu heiraten, der aus politischen oder Kriegsgründen Asyl beantragte.

DIE ZUNAHME VON GEWALT

Im Jahr 2020 nahm, durch die Corona – Einschränkungen die häusliche Gewalt zu. Organisationen, die Frauen beraten und aktiv unterstützen sind aufgrund der Pandemie schwer zugänglich. Telefonische Anfragen, Aussagen von Frauen die bei Ärzten vorstellig wurden und strafrechtliche Beschwerden bei der Polizei, dokumentieren die Zunahme der Gewalt. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass die Dunkelziffer im Vergleich zu vorher viel höher liegt. Frauen, die in Flüchtlingsheimen wohnen, sind auch Ziel sexistischer Gewalt geworden. Die Frauenhäuser haben nicht ausreichend Kapazität um den Bedarf zu decken. Während in der Regel 21.400 Frauen und Kinder untergebracht werden müssen, gibt es heutzutage nur noch 6.800 Plätze.

CORONA TRIFFT DIE FRAUEN HÄRTER

Trotz der Pandemie arbeiteten diejenigen in den sogenannten Frauenberufen weiter. Arbeitnehmerinnen in den Bereichen Gesundheit und Pflege, Einzelhandel, Reinigung und Bildung gingen trotz des Kontaminationsrisikos an ihre Arbeit. Der Applaus von den Balkonen zu Beginn, verblasste mit der Zeit. Mit Ausnahme kleiner Prämien für Gesundheit und Pflege stiegen die Löhne nicht und die Arbeitsbedingungen verbesserten sich auch nicht. Frauen, die in die Kurzarbeit geschickt wurden, mussten Sozialhilfe beantragen. Diejenigen, die Homeoffice machen mussten, setzten ihre Arbeit, die Kinderbetreuung und Hausarbeit zusammen fort. Studien haben gezeigt, dass die Anzahl der Männer, die Hausarbeit verrichten, in Familien, in den beide Ehepartner von zu Hause aus arbeiten, weiterhin 11 Prozent nicht übersteigen. Auffallend war in der Corona – Zeit der Rückschlag für die Frauenrechte und Zunahme der konservativen Perspektive mit dem Blick auf die Frau. Aus gesellschaftlicher Sicht ist es normal geworden, dass Frauen, wenn sie arbeitslos geworden sind oder von zu Hause aus arbeiten, die Sorgearbeit übernehmen. Obgleich die Arbeitsplätze der sogenannten Frauenberufe in der Zeit der Pandemie vorhanden geblieben sind, so kam die Befürchtung zur Sprache, dass Männer, die in der Produktion ihre Arbeit verloren haben, diese Arbeit übernehmen könnten.

DER ERSTE GESUNDHEITSBERICHT ÜBER FRAUEN WURDE VERÖFFENTLICHT

Zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands wurde vom Robert Koch-Institut ein Bericht über die Gesundheit von Frauen veröffentlicht. Dem Bericht zu Folge achten Frauen mehr auf die Gesundheit. Die Zahl der Mütter mit Kindern, die Zeit haben Sport zu machen, ist dennoch gering. Ernsthafte Krankheiten an Herz und Gehirn werden als männliche Krankheiten wahrgenommen, obwohl viele Frauen aus diesen Gründen ihr Leben verloren haben. Jedoch stand Brustkrebs bei Frauen an erster Stelle tödlicher Krankheiten.

TEILNAHME AN DEMONSTRATIONEN HAT ZUGENOMMEN

Tausende Frauen nahmen an den 8. März Protesten und Veranstaltungen in vielen Städten Deutschlands teil. Obwohl es einige Gruppen als Streik bezeichneten, war die Teilnahme der Frauen an den Demonstrationen auf der Straße bemerkenswert. In Berlin, wo der 8. März als offizieller Feiertag erklärt wurde, nahmen fast 20.000 Frauen an der Demonstration teil. Dabei traten die Forderungen nach gleichem Entgelt für gleiche Arbeit, die Vergesellschaftung von Pflegearbeit und die Forderungen gegen Gewalt an Frauen hervor. Es wurde zu einem stärkeren Kampf gegen Rassismus und der Solidarität mit Geflüchteten aufgerufen. Trotz erschwerter Bedingungen, wegen den Corona – Maßnahmen war eine starke Beteiligung an den Protesten gegen die Abtreibungsbeschränkungen und dem 25. November, dem Tag gegen Gewalt an Frauen, zu verzeichnen. Frauenorganisationen veranstalteten, um die Pandemie – Zeit mit dem geringsten Schaden zu überwinden, besondere Veranstaltungen und Aktionen. Mit der Veröffentlichung eines Berichts über die Arbeit von Frauen, setzte sich der Deutsche Gewerkschaftsverband für die Forderungen von Arbeitnehmerinnen ein. Angesichts der Tatsache, dass sich die Probleme, mit denen sie konfrontiert sind, sich während der Pandemie verschärft haben, werden Frauen auch im nächsten Jahr mehr Anstrengungen unternehmen, um diese unfaire Situation zu ändern. Die Umwandlung dieser Bemühungen in einen Kampf, hängt von ihrer Selbstorganisation ab.

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