Das kaputtgesparte Gesundheitssystem 

Ceyda Tutan

Als die ersten Fälle des Coronavirus Ende Januar in Deutschland auftauchten, wurde von der Regierung und medizinischen Einrichtungen einhellig behauptet, das deutsche Gesundheitswesen sei so gut aufgestellt, dass man selbst mit einer solchen Pandemie ohne weiteres fertig werde.  

Doch in der Corona-Krise macht sich nun bemerkbar, welche Auswirkungen die Privatisierung der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen hat. Die Kapazitäten, die erforderlich wären, um eine große Anzahl schwerkranker Patienten zu versorgen, sind nicht vorhanden, und in den Arztpraxen und Kliniken mangelt es an Atemmasken, Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln. Dies ist auch für rund 14.500 Pflegeheime und 14.000 Pflegedienste, neben dem Personalmangel im Land, das größte Problem. 

Die Folgen der Sparpolitik sind fehlende medizinische Ausrüstung, zu wenig Personal, Schließungen von Kliniken und Bettenabbau – ein kaputtgespartes Gesundheitssystem. 

Je mehr Menschen am Coronavirus erkranken, desto größer wird der Druck in den Krankenhäusern. Seit 2005 dominiert das deutsche Gesundheitssystem das Abrechnungsmodell der Fallpauschale. Die Einführung dieses Systems ist die Ökonomisierung des Gesundheitssektors Das Fallpauschalen – System hat Spuren hinterlassen. Jahrelang wurde beim Personal gespart. Durch die Privatisierung und Kommerzialisierung des Gesundheitssystems sind in den letzten Jahren immer weiter Kapazitäten und Behandlungsmöglichkeiten abgebaut worden. Um die Gewinne zu steigern, wurden in den Krankenhäusern die Löhne gedrückt, Stellen gestrichen und die Arbeit verdichtet. Die Personaldecke ist dünn, und auch schon vor der Corona-Krise war der Personalschlüssel nicht eingehalten worden. Das Ergebnis ist der Pflegenotstand, der Mangel in den Krankenhäusern wird immer gravierender und verdeutlicht, dass ein profitorientiertes Gesundheitssystem nicht im Interesse des Patienten sein kann. Etwa 17.000 offene Stellen gibt es in der Pflege. Das verschlechtert die Arbeitsbedingungen zusätzlich, etwa durch viele Überstunden und Dauerstress. Durch die Pandemie droht dem Gesundheitssystem nun der Kollaps. 

Die Situation in den Pflegeeinrichtungen ist nicht weniger verheerend. Bundesweit leben rund 800.000 Menschen in Alten- und Pflegeheimen. Dort sind schon zahlreiche Menschen an Covid-19 gestorben, denn alte Menschen sind besonders gefährdet und stellen eine Risikogruppe dar. Die Lage spitzt sich zu. Nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) sei die Situation angespannt und die Zustände verschlechtern sich immer mehr. Um ihre Bewohner zu schützen, weigern sich manche Heime inzwischen, neue Bewohner aufzunehmen. Seit Wochen arbeiten die Pflegeheime unter erschwerten Bedingungen – mit strikten Besuchsverboten und hohen Sicherheitsauflagen. Und auch dort fehlt es an Schutzmasken und Schutzkleidung. 

Die Beschäftigten in der Pflege und im Gesundheitswesen stehen angesichts der Corona-Krise unter besonders großem Druck. Unter erschwerten Bedingungen und hoher Ansteckungsgefahr leisten sie Beachtliches. Harte Arbeit, wenig Geld, kaum Wertschätzung, das ist der Alltag des Pflegepersonals. Doch jetzt in der Krise sind die Pfleger und Pflegerinnen plötzlich „systemrelevant“. Jetzt müssen sie noch härter ran als sonst. Dass die Beschäftigten irgendwann wegen psychischer und körperlicher Belastung in die Knie gehen oder wegen unzureichender Schutzausrüstung sich infizieren und ausfallen, muss man realisieren, denn die ohnehin belastenden Arbeitsbedingungen werden nunmehr durch die Pandemie erheblich erschwert. Laut dem Robert-Koch-Institut haben sich in Deutschland bereits 2300 Ärzte und Pfleger angesteckt. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.  

Insbesondere Frauen tragen die Hauptlast in dieser Zeit, denn sie arbeiten überdurchschnittlich oft in den systemrelevanten Berufen, die schlecht bezahlt sind und keine guten Arbeitsbedingungen mit sich bringen. 76 Prozent der Belegschaft in Krankhäusern besteht aus Frauen.  

Am Fenster stehen und klatschen ist sicherlich derzeit ein Zeichen von Dankbarkeit und Wertschätzung, aber längst nicht ausreichend für die Krankenpflegerinnen und das Arztpersonal. Immer mehr Krankenschwestern  melden sich zu Wort, um politische Entscheidungen zu kritisieren. 

Die unglaubliche Einsatzbereitschaft der Pflegekräfte verdient es einmal mehr und gerade jetzt, dass flächendeckend bessere Löhne in Form von allgemein verbindlichen Tarifverträgen zustande kommen. Das wäre jetzt ein wichtiges Zeichen. 

Spätestens mit dieser Pandemie muss jedem klar sein, dass unser Gesundheitssystem kein profitorientiertes Konstrukt sein darf. Es ist jetzt die Zeit, über Reformen im Gesundheitswesen nachzudenken. Krankenhäusern müssen raus aus der Privatisierung und Kommerzialisierung und sich für das Wohl der Patient*innen einsetzen.  Die Bezahlung von Pflegekräften muss angehoben werden und ausreichend Personal eingestellt und  mit den nötigen Schutz- und Arbeitsmaterial ausgestattet werden 

 

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