Bundesweite Prostest-Kundgebungen gegen den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention


Nachdem Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention fanden in der vergangenen Woche bundesweit zahlreiche Kundgebungen statt, um gegen den Austritt zu protestieren, sich mit der Frauenbewegung und der LGBTI Bewegung in der Türkei zu solidarisieren und auch auf die Missstände in Deutschland aufmerksam zu machen. Gleichzeitig wurden die Ratifizierung und die Umsetzung der Istanbul-Konvention auch in den weiteren Ländern gefordert.

20. März Berlin 

Mit dem Aufruf von PUDU HEPA nahmen am Samstag rund 200 Personen an der Protestkundgebung teil, gegen die Entscheidung des türkischen Präsidenten Erdogan, der die Nacht zuvor den Austritt aus der Istanbul-Konvention mitgeteilt hatte. Die Teilnehmerinnen der Kundgebung drückten ihre Wut aus, indem sie Reden hielten und riefen: „Die Istanbuler-Konvention gehört uns, wir werden nicht aufgeben.“ Auch Mitglieder des Berliner Einwanderer-Frauenverbandes unterstützten die Aktion. Im Namen des Bundesverbandes der Migrantinnen wurde eine Rede gehalten und Slogans gerufen.

22. München

In München haben Frauen- und zivilgesellschaftliche Organisationen gegen die Entscheidung des Präsidenten Erdogan protestiert. Ihre Ansichten und ihre Forderungen haben sie auf Plakaten und in Reden zum Ausdruck gebracht und auf die Folgen des Austritts aus der Istanbul-Konvention und die Zunahme der Gewalt an Frauen aufmerksam gemacht. Dabei wurde auch auf eine fehlende Strategie der Umsetzung des Abkommens in Deutschland hingewiesen. Unter anderem wurde die vorbehaltlose Umsetzung der Istanbul-Konvention und der Ausbau und Finanzierung von Frauenhäusern gefordert.

23. März Frankfurt

In einem großen Bündnis riefen zahlreiche Organisationen am 23. März in Frankfurt zur Kundgebung auf. Dabei verurteilten sie den Austritt der Türkei auf Schärfste und forderten die Umsetzung der Istanbul-Konvention in allen Ländern. Der Austritt der Türkei habe schwere Folgen für die Frauen in der Türkei, könne aber auch für Länder wie Polen und Ungarn ein schlechtes Vorbild sein, die das Abkommen in Frage stellen. Die verschiedenen Organisationen solidarisierten sich mit der Frauenbewegung in der Türkei, machten aber auch auf fehlende Maßnahmen in Deutschland aufmerksam.

24. März Mannheim

In Mannheim protestierten ca. 70 Personen bei einer Kundgebung gegen den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention, welche das Feministische Bündnis Mannheim, in dem auch der Migrantinnenverein Rhein-Neckar, neben weiteren Frauengruppen und -Institutionen und dem Mannheimer Einwanderer Frauenverband vertreten ist, aufgerufen hatte. Der beginnende Prostet mit einer Schweigeminute, um den Frauen zu gedenken, die im letzten Jahr in der Türkei ermordet wurden, mündete in eine wiederholende Kritik an der Bundesregierung in Deutschland, in verschiedenen Redebeiträgen. Das Feministische Bündnis brachte folgendes zu Sprache: „Wir ignorieren nicht den Mord an 117 Frauen in Deutschland durch ihre Partner oder Ex-Partner im Jahr 2019, wir ignorieren nicht den Mord an einer Frau alle drei Tage.“ Es wurde gesagt, dass wirksamere Maßnahmen gegen häusliche Gewalt ergriffen werden sollten. Des Weiteren wurde auf die Zunahme homophober Angriffe in EU-Ländern wie Deutschland und England hingewiesen. Im Namen der Linkspartei sagte Isabell Fuhrmann, dass die Aufhebung des Istanbuler Übereinkommens eine Fortsetzung der Angriffe des AKP-Regimes auf alle Gesellschaftsschichten sein, beispielsweise die Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidigern und Politikern, deren Inhaftierung und das Verbot der HDP. Fuhrmann sagte unter anderem, dass die AKP-Regierung zusammen mit ihrem Partner MHP gezeigt haben, welche demokratie- und frauenfeindlichen Weg sie eingeschlagen haben. Fuhrmann beendete ihre Rede mit den Worten: „Wir werden weder in der Türkei, noch in Deutschland noch in Polen schweigen. Wir werden die Tötungen von Frauen nicht ignorieren und nicht akzeptieren, es lebe die internationale Solidarität!

Im Namen des Kreisfrauenausschusses der Gewerkschaft ver.di forderte Anne Babara Dell den Stopp der Femizide. Die Aufhebung des Istanbuler Abkommens solle sofort zurückgezogen werden. Diese Entscheidung wäre nicht zu akzeptieren.

Das Stadtratsmitglied der Mannheimer SPD Barbara Schöning-Kalender stellte in ihre Rede fest, dass der unternommene Schritt ein erwarteter Schritt sei, aber nicht zu entschuldigen sei. Sie betonte, dass Femizide Menschenrechtsverletzungen sind und es nicht ausreichend ist diese Morde vor Gericht fair beurteilen zu müssen, sondern dass alle Staaten, die sich als demokratisch legimitierter Staat definieren, dringend handeln müssen.


24. März Köln

Über 100 Frauen protestierten in Köln gegen den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention. In den Reden mehrerer Organisationen, wie der DGB, der Partei Die Linke, der DIDF und des Bundesverbandes der Migrantinnen wurde die erneute Umsetzung des Übereinkommens gefordert.

Janine Pollex, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsverbandes DGB Kölner Frauenkommission, sprach bei der Demonstration in Köln: „Ich freue mich, heute hier zu sein und möchte damit beginnen: Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache! Wir verurteilen den Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention. Die DGB-Frauen solidarisieren sich mit den Frauen in der Türkei und weltweit. Wir sind ernsthaft besorgt über die Entscheidung, über den Rücktritt des türkischen Präsidenten Erdogan vom Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Der Austritt ist für alle Frauen gefährlich. Besonders während der Pandemie hat die Gewalt gegen Frauen weltweit zugenommen. Die Bekämpfung von Gewalt ist wichtiger denn je. Der Vertrag muss konsequent angewandt werden.  Der Schutz der Menschenrechte von Frauen und Mädchen ist eine internationale Verpflichtung. Sie können diese nicht aufgeben. Das Ausscheiden aus dem Vertrag ist ein schwerwiegender Misserfolg im Überlebenskampf für ein gewaltfreies Leben zu Hause und in der Gesellschaft für Frauen in der Türkei. Der Ausbruch des Covid-19 Virus führte erneut zu einer Zunahme der Gewalt gegen Frauen. Im Jahr 2020 sind in der Türkei mindestens 300 Frauen ermordet worden. Der Rücktritt von der Istanbuler Konvention ist zu jeder Zeit ein destruktives Zeichen. Das Abkommen ist das Ergebnis jahrzehntelanger Kämpfe von Frauen, um Gewalt gegen Frauen in all ihrer Vielfalt für illegal zu erklären. Es reicht von Kinderehen bis hin zu Vergewaltigungen in der Ehe, von häuslicher Gewalt bis hin zur Genitalverstümmelung bei Frauen. Durch das Verlassen wurde das, was seitdem erreicht worden war, erneut in Frage gestellt. Das können wir nicht akzeptieren! Frauenrechte sind nicht verhandelbar! Das Übereinkommen zum Schutz von Gewalt wird auch von den EU-Mitgliedstaaten wie Ungarn und Polen offen in Frage gestellt. Die Gleichstellung der Geschlechter und der Schutz vor Gewalt sollten nicht diskutiert werden. Dies ist ein Menschenrecht. Es ist auf der ganzen Welt gültig. Grundlage der Konvention ist die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen. Sie verpflichten die Vertragsparteien, Vorkehrungen gegen alle Arten von psychischer, physischer und /oder sexueller Gewalt zu treffen. Der Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention hat uns schockiert. Leider war es nicht einmal eine Überraschung. Überall auf der Welt, einschließlich der EU, und in Deutschland werden die Rechte der Frauen angegriffen. Die Türkei ist nicht allein: Großbritannien, die Tschechische Republik, Ungarn, Lichtenstein, Bulgarien, die Slowakei, Kroatien und viele mehr haben die Istanbul-Konvention nicht anerkannt. Polen droht damit auszutreten. Die rechte von Frauen und Minderheiten werden überall leichtfertig gefährdet. Gewaltfreies Leben ist ein Menschenrecht! Es gibt keinen Beweggrund für die Türkei aus der Istanbuler-Konvention auszutreten! Als DGB verurteilen wir diese Entscheidung. Die Türkei wird den Rückzug aus der Istanbul-Konvention überdenken und wir fordern sie auf, umzukehren.“

24. März Hamburg

In Hamburg haben Frauenbündnisse gegen den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention protestiert und sich solidarisch mit der Frauenbewegung in der Türkei gezeigt. Die Entscheidung komme zu einer Zeit, in der Gewaltverbrechen gegen Frauen und Mädchen unter anderem infolge der pandemiebedingten Isolation drastisch zugenommen haben. Mit dem Austritt aus der Istanbul-Konvention untermauere der türkische Staatspräsident die schon lange offensichtliche und frauenverachtende Politik des AKP-Regimes, durch die ein traditionelles Frauen- und Geschlechterbild gestärkt werden soll. Der Austritt aus dem Abkommen tritt demokratische Rechte mit Füßen und verletzt Menschenrechte. Von der Bundesregierung werden konsequente Schritte erwartet statt leerer Empörungsbekundungen. Dazu gehört die Einstellung wirtschaftlicher und politischer Unterstützung sowie ein sofortiger Waffen- und Rüstungsstopp.

25. März Bochum

Viele Menschen versammelten sich zu einer kurzfristig geplanten Kundgebung in Bochum vor dem Rathaus, die vom Bundesverband der Migrantinnen und der DIDF aufgerufen wurde. In ihrer Rede betonte die DIDF Jugend die Dringlichkeit einer konsequenten Umsetzung der Istanbul-Konvention. Der Ausstieg aus dem Abkommen lässt befürchten, dass die Zahl der Morde an Frauen weiterhin steigen wird. Auch der Bundesverband der Migrantinnen zeigt sich empört über den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention und zeigt den Zusammenhang der allgemeinen politischen Entwicklungen in der Türkei auf. Das Verbot der Partei HDP, die Kriminalisierung und Inhaftierung von Studierenden und Oppositionellen, ein nationalistischer Kurs, der von der türkischen Regierung geführt wird, der nichts von Frauenrechten und Menschenrechten hält. In einem weiteren Beitrag der Antifagruppe f:antifa Bochum macht die Rednerin auf die internationale Lage, sowie auf den Stand der Umsetzung des Abkommens in Deutschland aufmerksam. „Wir sind so wütend“, heißt es. Wütend vor allem darauf, dass der Kampf zur reinen Symbolpolitik verkommt, die Umsetzung in Deutschland kaum vorankommt und lückenhaft ist.  Mit einer Stellungnahme der DGB Bochum, verurteilten diese die innen- und außenpolitische Konfrontation Erdogans und sehen den Austritt als bewusste Provokation und Angriff auf die internationale Zusammenarbeit. 

26. März Göppingen

In Göppingen riefen mehrere Organisationen gemeinsam zur Kundgebung „Istanbul Konvention verteidigen – Solidarität aufbauen! „auf. Annähernd 100 Personen nahmen an der Kundgebung teil und brachten ihren Unmut mit Sprüchen auf Plakaten zum Ausdruck. Mehrere Rednerinnen von unterschiedlichen Organisationen sprachen sich gegen den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention aus und machte zeitgleich auf die fehlenden Maßnahmen in Deutschland und Europa aufmerksam. Die Vorsitzende des Bundesverbandes Ceyda Tutan, forderte konsequente Schritte vom Europarat und der Bundesregierung, ein Bedauern und Apelle seien nicht ausreichend Dem Austritt müssten Konsequenzen folgen.

Weitere Kundgebungen fanden auch in Dortmund, Stuttgart und Krefeld statt.

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