Über 1500 Frauen ohne Wohnung in Stuttgart
Wohnen ist teuer. Ein Dach über den Kopf, eine warme Stube – scheinbar Ansprüche, die in die Kategorie „Luxus“ fallen. Oder ist ein Mietpreis von 800 €/warm für eine 3 Zimmer Wohnung bei ca. 55 qm noch normal? Es ist wie es ist. Wohnen, das existenzielle Grundbedürfnis der Menschen, ist ein Immobilienmarkt mit wahnsinnigen Preisen geworden. Private Wohnungsanzeigen sind bereits so kostbar wie ein wertvoller Gegenstand, den man auf dem Flohmarkt zufällig ergattert. Neben den steigenden Mietpreisen werden Mieter durch Umgestaltung ganzer Straßen und Stadtteile aus ihren Wohnungen herausgedrängt. Alte und zum Teil günstige Mieten sollen nach Wunsch von Investoren und Immobilienfirmen (luxus-) saniert und zu höheren Preisen vermietet werden. Am besten an Personen, die aus höheren Schichten kommen. So wie es derzeit bspw. in Frankfurt im Ostend durch den Einzug der Europäischen Zentralbank in den ehemaligen Arbeiterstadtteil passieren soll. Gleichzeitig fehlt es an notwendigen Sozialwohnungen, an bezahlbaren Wohnraum. Wohnraum – auch als Schutz und Neubeginn für Frauen, die aus Gründen wie Trennung, Gewalt, oder anderer Belastungen dringend eine neue Unterkunft für sich und ihre Kinder brauchen. Eine landesweite Aktionswoche zum Thema Wohnen machte in Baden-Württemberg machte im Oktober u.a. die schwierige Situation von wohnungslosen Frauen sichtbar.
1478 wohnungslose Frauen gab es im Jahr 2013 in Stuttgart. Dies sei aber nur die Spitze des Eisberges, vermutet Hassemer-Kraus. Die Statistik erfasst nur die Frauen, die sich an Einrichtungen wie die Zentrale Frauenberatung wenden. „Bei allen Einrichtungen gibt es eine Warteliste. Das ist eine Katastrophe für uns“, sagt Maria Hassemer-Kraus von der Zentralen Frauenberatung Stuttgart.
Der niederschwellige Zugang der Angebote für wohnungslose Frauen ist dabei besonders wichtig. Das bedeutet, dass für die Beratung keine Bedingungen gestellt werden. Dies gilt auch für die Unterbringungen. Von der Notübernachtung bis zur stationären Langzeithilfe gibt es in ganz Stuttgart verschiedene Anlaufstellen. Sie alle sollen den Frauen Schutz und Sicherheit garantieren und ein kleines Stück Privatsphäre zurückgeben.
Ihr höchstes Ziel ist, dass die Frauen auf lange Sicht wieder allein wohnen können und auch ins Arbeitsleben wieder eingegliedert werden. Da es aber in Stuttgart nicht genug Sozialwohnungen gibt, ist das kaum möglich. „Die ganzen Projekte machen nur Sinn, wenn die Frauen auch vermittelt werden können“, sagt Hassemer-Kraus und sieht die Stadt in der Pflicht, den sozialen Wohnbau zu stärken.
Besorgniserregend ist die hohe Zahl von obdachlosen jungen Frauen. 60 Prozent aller Wohnungslosen im Alter von 18 Jahren sind weiblich. Woher diese Entwicklung kommt, können sich auch die zuständigen Stellen nicht erklären. An die Tagesstätte Femme-tastisch wenden sich Frauen zwischen 30 und 80 Jahren. Für 1,50 Euro bekommen sie hier ein Mittagessen, können duschen und sich ausruhen. Das Angebot soll den Frauen ein Stück Normalität in ihrem Leben geben. Wohnen ist existenziell. Sozialer und bezahlbarer Wohnraum – das müsste die Normalität sein. Oder?