10 Jahre miteinander für Gleichberechtigung

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Am 28.11.2015 begeht der Bundesverband der Migrantinnen mit einem Fest sein 10 jähriges Bestehen. Neben kulturellen Darbietungen, erwarten wir hunderte Frauen aus unseren Mitgliedergruppen/vereinen aus dem gesamten Bundesgebiet sowie Vertreterinnen aus der Frauen- und Gewerkschaftsbewegung. Das Motto lautet: 10 Jahre MITEINANDER; Für Gerechtigkeit und Gleichstellung – Gegen Ausgrenzung und Rassismus! Eingeladen sind dazu u.a. Vertreterinnen der Gleichstellungsabteilung der Stadt Köln, von Gewerkschaften, Frauenverbänden und Migrantinnenorganisationen, wie agisra e.V. und DaMigra. Im Kulturprogramm finden sich neben verbandseigenen Darbietungen auch renommierte KünstlerInnen aus Deutschland (Bülbül Manush) und der Türkei (Hakan Vreskala)

Wir sind dabei – wie alles begann

Seit unserem Bestehen im Jahr 2005 setzt unser Verband sich dafür ein, türkisch- und kurdischstämmige Frauen sich gegen jegliche Form von sozialer, politischer, ökonomischer und geschlechtsspezifischer Ungleichheit vereint zu organisieren und im Schulterschluss mit deutschen Frauenverbänden, Gewerkschaften und anderen Migrantinnenorganisation den Streit für Gleichstellung und Gerechtigkeit zu stärken. Aus rund 30 Städten bundesweit kamen Migrantinnen verschiedener Altersgruppen und Generationen auf der Migrantinnenkonferenz zusammen. Unter uns sind Arbeiterinnen, Angestellte, arbeitssuchende Frauen, Hausfrauen, Studentinnen und Akademikerinnen. Die auf unserer Konferenz einstimmig beschlossene Gründung des “Verband der Migrantinnen” war und ist gleichzeitig ein Aufruf zur Zusammenarbeit und Solidarität für Gleichstellung und Stärkung des Zusammenlebens von Frauen verschiedener Herkunft in Deutschland. Zu jedem Anlass haben wir versucht, gegen all die bestehenden und erlebten Ungerechtigkeiten, die wir als Frau und Migrantin erfahren, Gegenforderungen zu formulieren. Nicht aufgeben, nicht resignieren, sondern an der Überzeugung festhalten, dass eine Veränderung und Verbesserung – so klein sie auch zu sein mag – möglich ist, wenn dafür der notwendige Zusammenhalt da ist. Eben auf dieser Grundlage werden wir mit unseren Mitgliedergruppen und Frauen auf unserem Fest zusammenkommen.

Wo Unrecht geschieht…

Unser Weg war nicht immer einfach. Und er ist es sicherlich auch heute nicht. Blicken wir bspw. nur zurück auf die Debatten um Zwangsverheiratungen und häuslicher Gewalt, die maßgeblich den öffentlichen Blick auf das Leben von Migrantinnen geprägt haben. Auf die Frage, ob es Frauen vor Gewalt in all seinen Formen im Wesentlichen geschützt hat, sagen wir heute: Nein. Ganz im Gegenteil: Die finanzielle Förderung von Frauenhäusern und Beratungsstellen wurden massiv eingeschränkt. Debatten um Integration und Zuwanderung wird immer mehr für gesetzliche Verschärfungen und gesellschaftliche Spaltung in „gute und schlechte“ MigrantInnen missbraucht. So auch in der aktuellen Flüchtlingsbewegung, wo auf einer höchst zynischen Weise gar Grenzzäune als „Gartenzäune“ verglichen werden. Unser entschlossenes Nein gilt auch für andere zentrale Themen und Problemen, die wir als Frau im Allgemeinen und als Migrantin im Konkreten noch schärfer am eigenen Leibe erfahren: Diese sind die Ausweitung von Minijobs, befristeten und ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen, bei der Lohngleichheit oder bei der Betroffenheit von Armut. Wir beschäftigen uns mit dem Leben. Unsere Forderungen sind Teil des gesellschaftlichen Lebens – in der wir als Frau mit vielen geschlechtsspezifischen Problemen uns auseinandersetzen müssen. Frauen müssen auch im 21.Jahrhundert um Lohngleichheit kämpfen. Immer noch verdienen Frauen 22 -23 Prozent wengiger als Männer trotz gleicher Arbeit. Wir stellen 70 Prozent der Niedriglöhner und arbeiten zu oft in Jobs, die nicht gesichert sind. Vielen droht uns trotz Arbeit der Fall in die Armut; jetzt oder spätestens im Alter. Hinzu kommen: Schul- und Studiengebühren, Schließung von Kindergärten und Horten, Schwierigkeiten der Jugendlichen bei der Suche nach einem Ausbildungs- und Arbeitsplatz, Kürzungen von Finanzmittel bei sozialen Projekten für Kinder, Jugendliche und Frauen, Privatisierungen im öffentlichen Dienst als auch von Sozialwohnungen und Krankenhäusern.

Gemeinsam gegen rückschrittliche Zwänge und Politiken

Türkeistämmige Frauen sind zusätzlichen gesetzlichen und praktischen Diskriminierungen ausgesetzt. Wir müssen uns mit Problemen auseinandersetzen, die auf die sozialen und kulturellen Gewohnheiten und auf die bestehende Familien- und Gesellschaftsstruktur unseres Herkunftslandes zurückzuführen sind. Zusätzlich wird der soziale und kulturelle Druck durch eine Vielzahl von überkommenen und konservativen Traditionen und Sitten versucht aufrecht zu erhalten. Islamistisch-konservative, nationalistisch- reaktionäre Kreise und Organisationen befördern die Rückzugstendenzen bei den Türkeistämmigen und sind verantwortlich am Festhalten eines reaktionären Menschen- und Gesellschaftsbildes. Dies gilt schließlich auch für die Beziehung zwischen Mann und Frau.

Gleichberechtigung – nicht nur in Wort, sondern im Leben!

Auch wenn eine Reihe von internationalen und nationalen Konventionen und Gesetze zur Herstellung von Gleichberechtigung existieren – tatsächlich haben sie im realen Leben keine entscheidende Veränderung herbeigeführt. Das zeigt, dass Gesetze allein nicht helfen und nur in Verbindung mit politischen Veränderungen wirksam sein können. Ein Beispiel: Seit vielen Jahren gibt es – auch gute – Gesetze und Regelungen zum Schutz von Frauen vor Gewalt. Doch: ist die Zahl der Gewalt gegen Frauen deswegen gesunken? Nein. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte 2014 vor dem gefährlichen Anstieg der Gewaltbetroffenheit von Frauen. Demnach erfahren ein Drittel aller Frauen (mehr als eine Milliarde) weltweit körperliche Gewalt. Der Körper der Frau ist nicht nur Zielscheibe der reaktionär-patriarchalen Politik weltweit. In fast allen bisherigen Gesellschaften wird die Frau auch heute den kapitalistischen Verwertungsinteressen gebeugt und „vermarktet“. Wir mussten zusehen, wie Frauen zwangsislamisiert, verkauft, vergewaltigt wurden. Eine Barbarei die die ganze Welt erschütterte. Gleichzeitig sahen wir aber auch weltweit eine Zunahme von beeindruckenden Protesten und Widerständen, in denen Frauen entscheidend teilhaben. Sie machen deutlich, das der Wunsch auf Selbstbestimmung, Gleichberechtigung eng verflochten ist mit dem Wunsch auf eine gerechte, demokratische Gesellschaft. Darauf baut unser Verband und unsere Arbeit, die wir auf dem Fest ein weiteres Mal verkünden wollen.

Gemeinsam gegen Rassismus!

Auf unserem 10-jährigen Jubiliäumsfest wollen wir gleichzeitig unsere Stimmen gegen jegliche Formen von Rassismus – und d.h. auch unser notwendigen Protest gegen die PEGIDA Bewegung erheben. In vielen Städten haben Menschen unterschiedliche Herkunft auf beeindruckende Weise gezeigt, dass Rassismus kein Platz in unserer Gesellschaft haben und haben darf. Dies gilt auch aktuell für die Geflüchteten aus den kriegszerütteten Regionen. Für uns ist klar: Nicht Geflüchtete bekämpfen, sondern Fluchtursachen! Nicht nur Probleme aussprechen, sondern in Aktion treten, sich organisieren und gemeinsam handeln – mit diesem Grundsatz sind wir nunmehr 10 Jahre im Einsatz. Seit Wochen bereiten sich unsere Frauengruppen vor Ort auf unser, auf ihr Fest vor. Am liebsten würden sie alles mitnehmen, was sie in den letzten Jahren an erfolgreichen Erfahrungen und Ergebnisse gesammelt haben. Wir freuen uns, ein Teil unserer Geschichte, unserer Arbeit, unseren Wünschen an diesem Tag teilen und feiern zu können. Mit unseren Frauen aus den Mitgliedergruppen, mit unseren Weggefährtinnen von unterschiedlichen Frauenorganisationen und Gewerkschaften, Freunden und Jugendlichen. Kurzum: Wir sehen uns am 28.11.2015 in Köln!

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