7. Bundeskongress des Bundesverbandes der Migrantinnen


Ceyda Tutan
100 Jahre Frauenwahlrecht und der Kampf geht weiter – für Gleichberechtigung, Frieden und Solidarität. Unter diesem Motto fand am 5. und 6. Mai 2018 der 7. Bundeskongress des Bundesverbandes der Migrantinnen in Nettersheim statt. Mit insgesamt 65 Delegierten und eingeladenen Gästen wurden zwei Tage lang die Arbeit der letzten zwei Jahre diskutiert, bewertet und neue Ziele gesetzt.
Der Bundesverband der Migrantinnen setzt sich seit seiner Gründung für die Gleichberechtigung der Frauen ein. Vor allem ist es gelungen in den letzten Jahren mit vielen Institutionen, Organisationen, Gewerkschaften und Frauenverbänden zu kooperieren und auch ein Sprachrohr der Migrantinnen zu sein.
Seit der Gründung des Verbandes vor 13 Jahren sind inzwischen 20 Ortsgruppen bundesweit entstanden. Seit jeher zeigt sich die gemeinsame Stärke der Frauen bei Aktionen und Veranstaltungen. Mit den Jahren ist der Frauenverband gewachsen und selbstbewusster geworden. Es wird auf aktuelle Probleme reagiert und sich für die Rechte und Forderungen der Frauen eingesetzt. Auch dadurch gelingt es immer wieder, mit neuen Frauen Kontakte zu knüpfen und sie für die tägliche politische und kulturelle Arbeit zu gewinnen. Aber wie auf dem Kongress so oft betont: „Es gibt für uns noch viel zu tun.“


Am ersten Tag wurden die politischen Entwicklungen und die Arbeits- und Lebensbedingungen der Frauen bewertet und diskutiert, ebenso wurde die Arbeit der Ortsverbände vorgestellt und kritisch betrachtet.
„Die politische Lage zeigt, dass der Kampf der Frauen weltweit weitergeht und weitergehen muss, weil es auch nach Hunderten von Jahren immer noch keine Gleichberechtigung gibt. Dieses Jahr feiern die Frauen das 100-jährige Wahlrecht, dennoch gibt es z.B. für Migrantinnen nach wie vor kein Wahlrecht.“, so eine Vertreterin aus dem Bundesvorstand im Rechenschaftsbericht.
„Aussagen und politische Forderungen aus Amerika von z.B. D.Trump und auch hier in Deutschland von der AfD zeigen uns, dass diese Gesellschaftsordnung eine von Männern und dem Patriarchat dominierte Ordnung ist, die den Frauen keine eigene Existenz gewähren will.“, so eine Vertreterin aus Hamburg.
„In einem der reichsten Länder der Welt, wie in Deutschland, ist die Frau nach wie vor nicht gleichberechtigt. Frauen bekommen weniger Gehalt als Männer, haben meistens schlechtere Arbeitsbedingungen, prekäre Arbeitsverhältnisse und sind auch im Gesundheitswesen und in den sozialen Bereichen benachteiligt. Viele Menschen leben in Armut, darunter auch viele allein erziehende Frauen mit Kindern, die ihre Wohnungen verlieren, weil sie die erhöhten Mitpreise nicht mehr bezahlen können.“ so eine Alleinerziehende Mutter, die zugleich einen Vollzeitjob ausübt und dennoch finanziell mit Harzt IV aufstocken muss.
Eine junge Studentin aus NRW erklärt: „Patriachat aber nur der AfD zu unterstellen, wäre falsch. Auch die anderen Parteien zeigen ihre rückschrittliche Politik z.B. bei der Diskussion um die Abschaffung des Abtreibungsparagrafen 219a, welcher den Ärzten verbietet, öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Ein anderes Beispiel ist die sog. Herdprämie, deren Nachwirkungen immer noch zu spüren sind und die Frau in die Rolle der Hausfrau und Mutter gedrängt werden soll.“

Nachdem von verschiedenen Frauen und jungen Mädchen Beispiele aus dem eigenen Leben und Alltag vorgetragen wurden, diskutierten die Frauen darüber, welche Gefahren die Rechtsentwicklung der Gesellschaft für die Frauenrechte darstellt und dass die Frauen sich organisieren müssen. Frauen sind nach wie vor zu wenig in Betriebsräten oder Gewerkschaften vertreten. Auch in Bündnissen und Plattformen sollten sie mehr Platz einnehmen und auch mit anderen Organisationen zusammen arbeiten war Konsens unter allen Delegierten.

Ein Schwerpunktthema war die Situation der Frauen aus der Türkei und das Zusammenleben in Deutschland im Hinblick auf die deutsch-türkischen Beziehung. Die Spaltungen in der türkischen Gesellschaft erschwert auch den gemeinsamen Kampf der Frauen hier in Deutschland. Deswegen wurden auch die vorgezogenen Wahlen und deren Auswirkungen auf das Zusammenleben hier in Deutschland thematisiert.

Bei der Auswertung der Arbeit in den Ortsgruppen wurde festgestellt, dass die Schwerpunkte der Orte unterschiedlich sind. Es gibt Ortsgruppen und Mitglieder, die aktiv in der Gewerkschaft tätig sind oder auch um bessere Arbeitsbedingungen in ihrem Betrieb kämpfen.
Einige Ortsgruppen arbeiten gut zusammen mit anderen Organisationen in Bündnissen, nehmen an Veranstaltungen teil und diskutieren mit den Frauen über aktuelle Themen, andere bleiben eher „unter sich“.
„Die Arbeit nach außen zu tragen gilt es in allen anderen Gruppen auch voranzutreiben, die Frauen in ihrem Alltag abzuholen und mit ihren Themen zu konfrontieren, welche sie mittelbar betreffen und eine Verknüpfung herzustellen mit politischen Situationen die unmittelbar im Zusammenhang stehen.“, so der Bundesvorstand

Zu später Stunde wurde auch nochmal intensiv über die Frauenzeitschrift “Kadin” (Frau) gesprochen. Nach wie vor fehlt es an Berichten und Beiträgen der Frauen auch in deutscher Sprache. Dazu referierte Dr. Mine Gencel Bek, bis 2016 Professorin an der Universität in Ankara. Nach ihrer Entlassung in der Türkei ist sie seit Anfang 2017 an der Universität in Siegen als Medienwissenschaftlerin tätig. Sie redete mit den Frauen über das Schreiben, über die Motivation des Schreibens und die Möglichkeit, Texte oder Inhalte in verschiedenen Varianten zu veröffentlichen und ermutigte die Frauen zum Schreiben.
Ein weiterer Gast war Sinem Yesil von der DIDF Jugend, die mit einem Grußwort nochmals die Bedeutung des Frauenkampfes unterstrich, weil auch ebenso junge Frauen von den Benachteiligungen betroffen sind.

Am zweiten Tag war eines der wichtigen Themen die kulturelle Arbeit der Ortsgruppen. Mit verschiedenen kulturellen Angeboten schaffen es die Ortsgruppen immer wieder, Frauen zusammen zu bringen, wo sie sich wohl fühlen können, Selbstvertrauen gewinnen und aktiv mitmachen können. „Museumsbesuche oder auch kurze Reisen geben die Gelegenheit mit den Frauen ins Gespräch zu kommen und sich intensiver auszutauschen. Das Präsentieren von Liedern, Tänzen oder Theaterstücken ist wichtig für das Selbstvertrauen und das Gemeinschaftsgefühl“, so eine Delegierte aus Ulm.
Als Rahmenprogramm hatte der Vorstand des Verbandes eine „ABC – Ausstellung“ vorbereitet, der bei den Teilnehmerinnen sehr gut ankam. Als nächstes Projekt ist ein 10 Jahres – Buch mit Bildern geplant.

Der Bundeskongress endete nach zwei Tagen mit vielen Vorschlägen und Beschlüssen und der Neuwahl des 11- köpfigen Bundesvorstandes.