Presseerklärung der 77 Rechtsanwaltskammer (RAK): Istanbul Konvention ist in Kraft
Die 77 Rechtsanwaltskammer und die Kommission für Frauenrechte der Bundesrechtsanwaltskammer (TÜBAKKOM) kündigten in ihrer Erklärung an, dass die Istanbul Konvention nicht durch einen Präsidialdekret aufgekündigt werden kann. Die Kammer haben hat das Parlament dazu aufgefordert, ihren Beschluss durchzusetzen.
Die Rechtsanwaltskammer betonen in ihrer Erklärung, dass die Istanbul Konvention mit den Kämpfen um die Rechte der Frauen und deren Errungenschaften zustande gekommen ist. Zu glauben, dass wichtige rechtliche Errungenschaften in Bezug auf die Persönlichkeitsrechte und Freiheiten über Nacht zunichte gemacht werden können, sei ein großer Irrtum.
Weiter heißt es in der Erklärung:
Die Istanbul Konvention, welche am 24. November 2011 gemäß Artikel 90 der Verfassung in der großen Nationalversammlung der Türkei einstimmig durch das Gesetz Nr. 6251 verabschiedet wurde, ist das Ergebnis des nationalen Willens. In Übereinstimmung mit Artikel 90 unserer Verfassung haben die ordnungsgemäß in Kraft getretenen internationalen Verträge über Grundrechte und Grundfreiheiten Rechtskraft und stehen sogar hierarchisch über den Gesetzen. Es ist eine ausdrückliche Bestimmung von Artikel 104 der Verfassung, dass die im ersten und zweiten Teil des zweiten Teils der Verfassung enthaltenen Grundrechte, Persönlichkeitsrechte und Pflichten nicht durch die Entscheidung des Präsidenten abgeschafft oder geregelt werden können.
Die Istanbul Konvention ist direkt in den Artikeln 15 und 17 der Verfassung geregelt: “Das Recht des Einzelnen auf Leben; die Unversehrtheit der Integrität ihrer materiellen und geistigen Existenz”, “das Recht jedes einzelnen auf Leben, materielles und geistiges Eigentum“, “Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden“ und ist somit unmittelbar mit Grundrechten und Freiheit verbunden. Daher ist es gemäß Artikel 104 der Verfassung gesetzeswidrig, ein Präsidialdekret über die in der Verfassung enthaltenen Grundrechte und -freiheiten zu erlassen. Der Präsidialdekret ignoriert den Willen des Parlamentes, also auch den Willen des Volkes. Istanbul Konvention, deren Erstunterzeichner die Türkei war, aufzukündigen ist laut Artikel 87 und 90 der Verfassung verfassungswidrig.
Die Entscheidung des Präsidenten, die Istanbul Konvention aufzukündigen, hat keine verfassungsrechtliche Grundlage. Internationale Abkommen, die bezüglich der Autorität und Verfahren nach dem Grundsatz der Parallelität unterzeichnet wurden, müssen gemäß der Verfassung auch auf dieselbe Weise gekündigt werden. In diesem Sinne ist die Ermächtigung des Präsidenten mit dem Präsidialdekret vom 15.07.2018 und der Nummer 9 zum selben Thema, ebenfalls eindeutig verfassungswidrig und nichtig. Laut Artikel 6 der Verfassung kann niemand und kein Organ eine Staatsgewalt ausüben, deren Ursprung nicht in der Verfassung zu finden ist.
Der Artikel 104 des Grundgesetzes der Republik Türkei, definiert die Pflichten und Befugnisse des Präsidenten als “genehmigt internationale Verträge und veröffentlicht diese”. Das Grundgesetz ermächtigt den Präsidenten, nur internationale Abkommen zu “genehmigen und zu veröffentlichen”, aber er hat nicht das Befugnis internationale Abkommen aufzukündigen. Der Entscheidung des Präsidenten, die Istanbul Konvention aufzukündigen fehlt die Rechtsgrundlage. Das Menschenleben und dessen Unversehrtheit, Persönlichkeitsrechte und Freiheiten, sind überpolitisch und von so großer Bedeutung, dass sie keinerlei Politikum aufgeopfert werden dürfen. Die Istanbul Konvention ist in Kraft und wird weiterhin umgesetzt. Aus diesem Grund rufen wir vorrangig das Parlament auf, seinen Willen geltend zu machen und die Regierung dazu sich an alle Grundsätze und Vorschriften zu halten, wie sie im Artikel 2 der Verfassung eindeutig definiert in der rechtsstaatlichen Republik Türkei sind.
Wir werden von der Istanbul Konvention nicht absehen. Wir erklären, dass wir unseren Kampf gegen diesen verfassungswidrigen Versuch die Istanbul Konvention aufzulösen, welche Gewalt an Frauen als eine Menschenrechtsverletzung und Diskriminierung anerkennt, fortsetzen werden. Wir rufen alle dazu auf, den Kampf gegen diesen Vorstoß, der auf unsere Grundrechte und – Freiheiten zielt, aktiv zu unterstützen und sich zu solidarisieren.
Quelle: https://ekmekvegul.net
Übersetzung: Sevinç Sönmez